Kärntens Erdkabelparagraph: Zahnlos, aber ein Anfang

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Am 1. Februar trat die (im Entwurf auch von uns) euphorisch begrüßte Novelle des Kärntner Energiegesetzes in Kraft. Die Erdverkabelung neuer Hochspannungsleitungen ist danach in jedem Fall zu prüfen und unter Umständen anzustreben. Eine solche Bestimmung ist zwar bundesweit bisher einmalig. Doch der "Biss", den das Gesetz ursprünglich haben sollte, ist nun Formulierungen gewichen, die als Paradebeispiel für Gummiparagraphen gelten können. Die Landespolitik agiert derweil im Umgang mit den vereinigten Villacher Bürgerinitiativen chaotisch…

Foto: Energie-Landesrätin Prettner – ihre Gesetzesinitiative wurde Opfer der landespolitischen Schlechtwetterlage

Aktuell (12.2.2013): Offener Brief der Bürgerinitiativen an die Politik im Anhang

Die "rote" Landesrätin Beate Prettner hatte sich das eigentlich anders gedacht: Ein Energiegesetz nach deutschem Vorbild, das bei neuen Hochspannungsleitungen die Erdverkabelung als Regelfall vorschreibt, wo immer das finanziell und technisch vertretbar ist, eine echte Revolution also. Und es sah zunächst gar nicht schlecht aus dafür. Denn Landeshauptmann Dörfler schien gleichzeitig mit dem Widerstand gegen eine geplante Freileitung im Raum Villach zu sympathisieren. Doch dann kam Sand ins Getriebe.

Freiheitliche Mandatare im Landtag attackierten Prettner, sie sei als selbst von der Leitung betroffene Grundeigentümerin befangen – was rein sachlich zutrifft, aber nur schlagend wäre, wenn sie versucht hätte, das behördliche Verfahren zu beeinflussen. Spekulationen in diese Richtung kann man aber abhaken: Die Leitung ist bewilligt, Prettner selbst ist inzwischen Betroffene des Enteignungsverfahrens. Kurz darauf kam es zum Eklat in einer Regierungssitzung, in der Dörfler seine Landesrätin als Hascherl bezeichnete. Der geschlossene Auszug der SPÖ-Fraktion war eine der Zündschnüre für das Hickhack in der Kärntner Regierung, das schließlich vorgezogene Neuwahlen nötig machte. 

"Man könnte, wenn man dürfen wollte, unter Umständen auch ein Erdkabel…"
Von der Möglichkeit, etwa der KELAG (sozusagen die Kärntner Energie AG) ein 110-kV-Erdkabel unter bestimmten Umständen vorzuschreiben, ist das Gesetz in der jetzt beschlossenen Fassung meilenweit entfernt. Die begutachtenden Beamten haben entweder keinen wirklichen politischen Willen mehr verspürt oder sie sind vor dem absehbaren Verfassungskonflikt mit dem übergeordneten Starkstromwegegesetz des Bundes zurückgeschreckt.

Geblieben ist jedenfalls nicht mehr als zum einen die Verpflichtung, die Erdverkabelung bei neuen Leitungen zu "prüfen" (ohne dass daraus irgend eine rechtliche Konsequenz entstünde). Zum anderen ist die Erdverkabelung "anzustreben" (wie Menschen halt nach Vollkommenheit streben), und zwar "insbesondere" dann, wenn die Leitung z.B. bei 110-kV-Leitungen weniger als 20 (!) Meter von bestimmten Wohngebäuden u.ä. verlaufen soll. Man kann sich ausmalen, dass diese Regelung einen ähnlich "durchschlagenden" Effekt haben wird wie etwa die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h auf deutschen Autobahnen…

Die Villacher Bürgerinitiativen jedenfalls fühlen sich mittlerweile in der "demokratiepolitischen Steinzeit". Diese besteht unter anderem aus den praktisch komplett folgenlos gebliebenen Unterstützungsparolen Dörflers (die KELAG ist ja ebenfalls zum erheblichen Teil in Landeseigentum) und aus einem gnadenlos durchgezogenen Enteignungsverfahren, das neben privaten Grundeigentümern nicht nur LR Prettner trifft, sondern z.B. auch eine Pfarre und die Gemeinden Villach und Finkenstein. Die Enteignungsbescheide trafen zufällig genau einen Tag vor Inkrafttreten des neuen Elektrizitätsgesetzes ein. Ähnlich wie bei uns hätte die Landesregierung – gleich ob Prettner oder Dörfler – ein Erdkabel durchsetzen können: entweder auf politischer Ebene oder durch die eigenen Behörden. Geschehen ist nichts derartiges. Doch auch hier hat jetzt noch der Verwaltungsgerichtshof ein Wort mitzureden. Sicher ist: Die Zeit arbeitet für Erdkabel.

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Verfasst von 110kV ade am 6. Februar 2013 - 18:57
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