Pühringers Gereiztheit war nach 30 Sekunden mit Händen zu greifen: Der kritische Hinweis auf seine Äußerung, "Erdkabel oder Freileitung" sei keine Frage der Politik, dieser Hinweis passte nicht in die gutgelaunte Wahlkampfshow in der Vorchdorfer Kitzmantelfabrik. Dort sollte "gemeinsam diskutiert" werden: "Reden wir über das, was Sie am meisten bewegt". Für das Thema Hochspannungsleitung galt das nicht. – Der Landeshauptmann schlug verbal bereits zu, bevor die eigentliche Frage überhaupt gestellt war. Eine Antwort gab es auch im zweiten Anlauf nicht. Doch keine Antwort ist auch eine Antwort…
Wenn die Politik für Projekte von solcher Tragweite wie die geplante 110-kV-Leitung nicht zuständig ist, sondern diese ins Belieben eines Wirtschaftsunternehmens stellt – wozu dann einen Landtag wählen? Pühringer hat in der gegenwärtigen Situation als einziger das politische Gewicht, die Energie AG zum Einlenken zu bewegen, hin zur Erdkabel-Lösung. Das sollte er nutzen: Weil die gravierenden Auswirkungen der Freileitung vermieden würden. Weil es machbar und leicht bezahlbar ist. Und weil die Region es will. Ob er bereit sei, sich dafür einzusetzen, darauf sollte er in Vorchdorf eine Antwort geben.
Stattdessen gab es eine schroffe Abfuhr: Er habe eine korrekte Prüfung des Projekts durch die Behörden zugesagt, und die sei erfolgt. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (Betroffene dürfen eine UVP fordern) "werden wir sehr genau prüfen". Im Übrigen könne er der Logik der Frage nicht folgen: In einem Rechtsstaat hätten eben Poliker behördliche Entscheidungen zu respektieren und auch einem Landesunternehmen nichts zu "verbieten".
Alles Wesentliche an der Frage blendet Pühringer gekonnt aus
Es gelingt dem Landehauptmann tatsächlich, den Eindruck zu erwecken, man erwarte von ihm so etwas wie Amtsmissbrauch. Die eigentliche Frage zieht er damit gezielt in ein schiefes Licht – und diskreditiert so das Anliegen einer ganzen Region. Damit ignoriert er…
- dass es einem Politiker nicht nur freisteht, von Unternehmen etwas zu fordern, wenn das wie hier im öffentlichen Interesse ist – es ist vielmehr seine Aufgabe und im Falle des Landeshauptmanns sogar seine Amtspflicht;
- dass es doch darum geht, politischen Einfluss im Sinne der Bevölkerung geltend zu machen – nicht etwa Bescheide rechtswidrig zu umgehen;
- dass seine Weigerung, sich mit dem Thema der Erdverkabelung zu befassen, bedeutet, dass es überhaupt keine öffentliche Instanz geben soll, die Konsequenzen zieht: nämlich aus der klaren Tatsache, dass die gleiche sichere Stromversorgung mit dem Erdkabel möglich ist, aber ohne Natur- und Landschaftszerstörung, ohne Vernichtung von Eigentumswerten und Lebensqualität, ohne Gefähdung des Tourismusstandorts und ohne so viel böses Blut…
Kommentar: Wo der Landeshauptmann steht, ist nun endgültig klar
Es war wohl naiv zu hoffen, Pühringer würde auf einer solchen Veranstaltung Flagge zeigen, nachdem er sich fünf Jahre lang hinter "den Behörden" verschanzt hat. Er könnte eine persönliche Meinung zum Thema äußern Er könnte wenigstens Verständnis oder Mitgefühl mit den betroffenen Menschen zeigen oder die Schäden bedauern, die die Freileitung anrichten würde – nicht einmal das. Nein, es ist offenkundig: Die Forderung nach einem Erdkabel nervt ihn nur. Bei "Pühringer live" sollte angeblich miteinander geredet werden. In diesem Fall wurde nur der Fragensteller abgekanzelt.
So ist aber immerhin eines "live" erlebbar klar geworden: In dieser Frage steht Pühringer gegen die einhellig das Erdkabel fordernden Gemeinden, gegen die betroffene Bevölkerung, gegen Naturschutzorganisationen… er steht einzig und allein auf Seiten der Energie AG, die mit ihrer Freileitung über all das drüberfahren will. (Michael Praschma)
Verfasst von 110kV ade am 27. Mai 2015 - 8:32
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