Es geht um sehr viel, wenn nicht gar um alles: Wenn die bisher rechtskräftig ausgewiesenen 39 Hektar Waldtrassen der geplanten Freileitung als Rodungsflächen gelten, dann wird das ganze Vorhaben der Energie AG UVP-pflichtig und sämtliche Genehmigungen sind hinfällig. Doch der Konzern hat dem Linzer Landesverwaltungsgericht jetzt vorgerechnet, dass der erforderliche Schwellenwert von 20 ha nicht erreicht wird. Die Trasse führe nur auf 18,22 ha über Wald. Die Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht (LVwG) verlief turbulent.
(Foto: LVwG/Montage: 110 kV ade!) Kontrahenten: Die Anwälte Michael Mendel (Energie AG, li.) und Wolfgang List (110 kV ade! re.)
Richterin Karin Lederer war nicht zu beneiden. Denn die Wogen schlugen hoch am 14. Januar im Verhandlungssaal 6. Hauptstreitpunkt war die Aufstellung über die Waldflächen, zu der das LVwG die Energie AG aufgefordert hatte. Die Vertreter der Beschwerdeführer gegen die Rodungsbewilligung waren misstrauisch geworden, weil hier nur knapp 1,8 ha bis zum entscheidenden Schwellenwert fehlen. Darüber ist eine Umweltverträglichkeitprüfung (UVP) fällig. Und damit stünde die 110-kV-Freileitung nach über sechs Jahren wieder am Nullpunkt.
Flächenschwund durch rechtswidrige Trassenplanung
Unbestritten und gut dokumentiert war vor Gericht, dass seit 2010 stets eine 40 Meter breite Trasse in Waldgebieten vorgesehen war. Der rechtskräftige Bescheid der Naturschutzbehörde belegt das und nennt dazu eine Fläche von 39 ha. Das entspricht einer Länge der Waldtrasse von 9,75 km. Vorgelegt hat die Energie AG nun eine Trasse von durchschnittlich 25 m Breite – und zwar nur auf einer Länge von 7,26 Kilometer. Wo die fehlenden 2,5 km geblieben sind, beantwortete die Energie AG nicht. Auch Johann Reisenberger, Forstsachverständiger des Landes, war ratlos. Seine Vermutung, einige "Weitspannfelder" seien abgerechnet, deckt sich nicht mit den Angaben der Energie AG. Schon mit diesen 2,5 km mehr überschreitet die "abgemagerte" Trasse der Energie AG den Schwellenwert deutlich.
Betroffene Waldbesitzer ebenso wie ihre Anwälte und "110 kV ade!" zeigten aber noch weitere Merkwürdigkeiten auf: Um die Sicherheitsvorschriften und auch forstliche Bestimmungen einhalten zu können, ist eine Trasse, die nur 4 m Abstand neben der Leitung selbst hält, an den meisten Stellen im Wald viel zu schmal. Etwa der vorgeschrieben Schutz vor Bäumen, die bei Sturm in die Leitung fallen können, fehle komplett. Die Norm schreibt z. B. auch vor, bei Flachwurzlern wie Fichte diese 4 m Abstand zu erweitern.
"Sie haben das Verfahren verloren und kennen nicht einmal das Urteil!"
Gewaltig in Fahrt kam Initiativen-Anwalt Wolfgang List aber nicht nur wegen dieser Unstimmigkeiten, die er als unglaubliche Schlamperei bezeichnete: Es sei anhand der Unterlagen der Energie AG völlig unmöglich, nachvollziehbar zu prüfen, wie groß die betroffene Waldfläche nun tatsächlich sei. Ihm gehe "die Galle auf", wenn sein Kontrahent Mendel auf konkrete Nachfragen immer nur gebetsmühlenartig wiederhole, "weitere Flächen würden nicht beansprucht" – so auch bei Angaben dazu, wie bestimmte Maststandorte erreicht werden sollen.
List warf Mendel auch vor, jenes neue Höchstgerichts-Urteil zu ignorieren, das die Frage der 20 ha überhaupt erst so wichtig macht: Danach gilt eine Fläche auch als Rodung, wo z. B. wegen der Seile der Leitung Bäume gefällt oder niedrig gehalten werden müssen. Pikante Note: Mendel selbst hatte den Kärntner Netzbetreiber vor Gericht vertreten, der jetzt für eine weitgehend fertig gebaute 110-kV-Leitung keine einzige Bewilligung mehr hat. Auch zu dieser Frage äußerte sich der Anwalt der Energie AG nur einsilbig und deutlich verärgert.
Der Beschluss des Gerichts wird schriftlich ergehen. Selbst im Falle einer Bewilligung würde es umfangreiche neue Auflagen geben. Denn auch die Gefahr von Geländerutschungen wurde jetzt erstmals von einem Sachverständigen anerkannt. Die Behörden hatten bisher alle Warnungen der Betroffenen dazu ignoriert.
Kommentar: Die Energie AG steht mit der Wahrheit seit 6 Jahren auf dem Kriegsfuß
Das sind keine Verfahrenstricks mehr, das ist der (unabweisbar aufgeflogene) Versuch der Irreführung eines unabhängigen Gerichts. Und der einzige Grund, die Energie AG hier nicht als Lügnerin zu bezeichnen, ist die Unlust, sich mit existenzbedrohenden Privatklagen herumzuschlagen. Doch der Wahrheitsbeweis dafür, dass der Konzern die gesamte Öffentlichkeit in dieser Auseinandersetzung permanent an der Nase herumzuführen versucht, ist jederzeit zu erbringen. Und es sei noch einmal hinzugefügt: Das passiert mit ausdrücklicher Billigung von Pühringer, Strugl und wie sie alle heißen, die viele dieser Unwahrheiten selbst verbreiten, z. B.:
- "Umfassende Einbeziehung der Betroffenen"; gemeinsame Vereinbarung der "optimal gewünschten Form der Information" – hehre Grundsätze im ersten Projektpapier 2009. Doch nach erster Unruhe in der Bevölkerung rechtfertigt man in einem internen Schreiben ans Land die öffentlichen Info-Veranstaltungen, die "als Bühne für Gegner benutzt werden können": "Auf Grund der Medienberichte … haben wir keine andere Wahl" !
- Jahrelang behauptet die Energie AG wider besseres Wissen auf Versammlungen und gegenüber Medien, eine Erdverkabelung sei technisch nicht möglich. Diese schlicht falsche Aussage findet sich bis heute auf einer Internetseite der EAG.
- Immer wieder versuchte die Energie AG, Grundeigentümer mit der Lüge, man habe bereits alle Bewilligungen für die Leitung, zur Zustimmung zum Leitungsbau zu überreden.
- Der gesamte Landtag wurde von der Energie AG mit falschen Zahlen zu den Kosten von Freileitung (17 Mio.) und Erdkabel (57 Mio.) manipuliert. Die Freileitung ist in Wahrheit um 3 Mio. teurer, das Erdkabel um ca. 11 Mio. billiger.
… und jetzt der Schwindel mit den Waldflächen. Wie vertrauenswürdig ist ein Projekt, das mit einem solchen Wust von Falschaussagen durchgeboxt werden soll? Es steht zu hoffen, dass das Gericht stattdessen der Realität zum Durchbruch verhilft: Das Erdkabel ist die bessere Lösung.
Verfasst von 110kV ade am 15. Januar 2016 - 12:37
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